Raumverständnis

Räumliche Intelligenz/ Raumverständnis:

Fähigkeit die visuell-räumliche Welt wahrzunehmen, zu verarbeiten, einzuordnen, sowie zu deuten und zu bewerten.

Die Begriffe "räumliche Intelligenz" und "Raumverständnis" beinhalten mehr als die, das bloße Wahrnehmen beschreibenden Begriffe "Raumvorstellung" und "räumliches Denken".


Nach STÜCKRATH gibt es drei Stufen des Raumerlebens:
  1. Stufe der dynamischen Ordnung (6. - 8. Lebensjahr)
    Kinder erleben Orte und Plätze aber bringen sie durch Wege noch nicht in einen räumlichen Zusammenhang zueinander.
  2. Stufe der gegenständlichen Ordnung (9. - 11. Lebensjahr)
    Kinder interessieren sich für Wege, bauen und benutzen sie, werden aber noch nicht in einem größeren oder gar abstrakteren Zusammenhang gesehen.
  3. Stufe der figuralen Ordnung (12. - 15. Lebensjahr)
    Mit der Aufgabe der egozentrischen Sicht erlangen Kinder einen größeren Überblick über Wege und Orte und präzisieren die räumlichen Beziehungen.

Nach PIAGET lassen sich entsprechend der bekannten Phasen der kognitiven Entwicklung vier Entwicklungsniveaus des räumlichen Denkens unterscheiden:

  1. Sensumotorische Phase (Säuglingsalter)
    Das Kind sammelt sensorische und motorische Raumerfahrungen, verbindet sie und erlebt den Raum durch eigene Handlungen.
  2. Präoperationale Stufe (Kindergarten- und Vorschulalter)
    Das Kind betrachtet den Raum fast ausschließlich von seinem Standpunkt aus. Die Anschauung bestimmt das räumliche Denken noch sehr viel mehr als Begriffe und Regeln.
  3. Stufe der konkreten Denkoperationen (Grundschulalter)
    Das Kind kann andere Standpunkte einnehmen wodurch u.a. das räumliche Denken projektiver und reversibler wird. Es kann bei engem Bezug zur konkreten gegenständlichen Welt geistige Raum-Operationen durchdenken.
  4. Stufe der formalen Denkoperationen (ab dem Jugendalter)
    Abstraktes Denken und hypothetische Fragestellungen ermöglichen dem Jugendlichen logische Operationen durchzuführen, losgelöst von konkreten Problemen. Auch Proportionen und Entfernungen werden erfasst und verarbeitet.

Der gegenwärtige Erkenntnisstand sieht die genannten Stufen nicht (mehr) als streng an das Alter geknüpft. Sie werden als Orientierungspunkte zum Aufbau des Raumverständnisses gesehen. Je nach Entwicklung können die unterschiedlichen Niveaus des Raumverständnisses natürlich in fast jedem Alter erreicht werden. Grundsätzlich nimmt die Egozentrik und die Kopplung der Denkprozesse an konkrete Gegenstände gegen Ende des Grundschulalters ab und zunehmend abstraktes und logisches Denken bestimmt das Raumverständnis. Im frühen Jugendalter sind dennoch konkrete Details immer noch interessanter als grobe Überblicke. Mit Überblicken sollte erst ab dem späten Jugendalter (ab 15/16 Jahren) in Form eines deduktiven Vorgehens begonnen werden. Hinsichtlich der Medien im Erdkundeunterricht geben die entwicklungspsychologischen Stufen wichtige Gründe für einen Einsatz von anschaulichen und originalen Materialien im Unterricht bei Schülern im Grundschul- und frühen Jugendalter.

Sonja Gies

Literatur